Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner erstinstanzlichen Entscheidung vom 29.03.2023, 8 O 190/2290/22, hatte das Landgericht Potsdam in seiner zu Gunsten des Prämiensparers ergangenen Entscheidung ausgeführt, dass die Formulierung „z. Zt. gültiger Zinssatz“ im Kontext der Gesamtregelung für den durchschnittlichen Verbraucher nur den Schluss zulasse, dass ab Beginn des Vertrages bis zu dessen Ende der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültige Zinssatz fest vereinbart wurde, es sich bei dieser vertraglichen Abrede somit um die Vereinbarung eines festen Zinssatzes handelt.
Dieser Interpretation der Formulierung „z. Zt. gültiger Zinssatz" hat das Brandenburgische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 16.12.2023, 4 U 64/23, eine Absage erteilt. Nach Auffassung des OLG Brandenburg sprechen nämlich bereits die Verwendung der Begrifflichkeit „z. Zt. gültiger Zinssatz" aus der maßgeblichen Sicht des Sparers ebenso wie aus der Sicht eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden gegen die Unveränderlichkeit der in der Auflistung zu den Guthabensalden genannten Zinssätze. Dies deshalb, weil „z. Zt." seinerzeit die gültige Abkürzung für das Adverb „zur Zeit" war und dieser Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch synonym für „gegenwärtig", „im Augenblick", „jetzt", „augenblicklich", „gerade", „heute" und „momentan" verwendet wurde, was offenkundig für die Vereinbarung eines variablen Anfangszinssatzes und für eine Zinsvariabilität und gegen eine Festzinsvereinbarung sprechen würde.
Zudem weist das OLG Brandenburg darauf hin, dass die Verwendung der Abkürzung „z. Zt." in der Formulierung „z. Zt. gültiger Zinssatz" auch keinen Sinn machen würde, wenn eine für die gesamte Laufzeit geltende feste Verzinsung, deren Höhe lediglich von dem erreichten Guthaben abhinge, vereinbart hätte werden sollen. Will nämlich eine Bank oder Sparkasse ein Sparprodukt mit einem festen Zinssatz anbieten, würde sie diesen Zinssatz einfach und ohne eine weitere Erläuterung, etwa zu den Gründen der Bestimmung gerade dieses Zinssatzes, benennen. Für einen Hinweis darauf, dass der in dem Sparprodukt angebotene Zinssatz der zur Zeit „gültige" Zinssatz sei, bestünde nicht nur kein Anlass; ein solcher Zusatz wäre bei einem festen Zins, der bis zum Vertragsende gelten soll, völlig ungewöhnlich und zudem verwirrend.
PRAXISTIPP
Einmal mehr verdeutlicht die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, dass es nach wie vor Instanzgerichte gibt, die Klauseln in langfristigen Prämiensparverträgen entgegen dem allgemein üblichen und sich bereits aus dem Duden ergebenden Sinngehalt in einem Sinne auslegen, auf welchen kein durchschnittlicher Verbraucher jemals gelangen würde; und dies nur, um den Sparern einen Vorteil zu gewähren, welcher Ihnen nach dem Vertrag nicht zusteht. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht nicht nur sinngemäß deutlich gemacht hat, dass die vom Landgericht Potsdam vertretene Auslegung der Formulierung „z. Zt. gültiger Zinssatz" nahezu abwegig ist, sondern dies zudem auch ausführlich begründet hat.
Beitragsnummer: 22428